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Entwicklungen im europäischen Energierecht

energierechtlich relevante Bereiche des EU-Rechts in den Jahren 2016 / 2017


Die Europäische Kommission hat mit der Mitteilung vom Juli 2016 [1] ein Maßnahmenpaket angekündigt und am 30. 11. 2016 vorgelegt, das aktuell die Entwicklung der europäischen Vorgaben im Bereich des Energierechts bestimmen wird. Einige Aspekte des Maßnahmenpaketes werden nachstehend behandelt.


A. Energieunion
Die Idee einer Energieunion schreitet voran. Über den sog. Governance-Mechanismus soll die Erreichung der auf dem Gebiet des Klimaschutzes und der Energiepolitik gesetzten EU-Ziele gesichert werden. Insbesondere die Berichterstattung in Bezug auf die international eingegangenen Verpflichtungen soll koordiniert werden. Dies sowie die damit verbundene Kontrolle soll über "Nationale Energie- und Klima-Pläne" erfolgen.
Bei der Erarbeitung der nationalen Pläne soll die Öffentlichkeit der Mitgliedstaaten sowie der Regionen einbezogen werden. Bis 1. 1. 2019 sollen die ersten Pläne für die Zeit 2021 - 2030 vorliegen, bis 1. 1. 2018 ihre Entwürfe. In diesem Kontext sind vermutlich schon die Papiere NAPE und Grünbuch der Bundesregierung zu verstehen, wobei sie noch sicher starke konkretisiert werden müssten.

B. Erneuerbare Energien
In dem Paket der Europäischen Kommission steht die Erneuerbare-Energien-Richtlinie mit dem Thema Energieeffizienz im Zentrum der Überlegungen. Nachstehend werden einige Aspekte des Entwurfs [6] geschildert.

1. Hintergrund
Folgende Grundüberlegungen stehen hinter dem Entwurf der neuen Richtlinie:
  • Motto: "clean energy for all" - ebenso, wie für das gesamte Paket der Kommission;
  • mit Umstellung auf erneuerbare Energie soll auch Wettbewerbsfähigkeit und Innovation gesteigert werden;
  • allerdings sollen dabei auch Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze entstehen;
  • dies soll u. a. durch hohe Investitionen erreicht werden, die gefördert werden sollen.
Aus Sicht der EU-Kommission können dabei die Ziele (z. B. 27 % Anteil erneuerbarer Energien EU-weit bis zum Jahre 2030) nur dann erreicht werden, wenn ein sinnvoller Branchenmix in die Maßnahmen einbezogen wird - im Einzelnen heisst das folgende prozentuale Einteilung - folgende Sektoren sollen den Beitrag wie folgt leisten:
  • 45 % der Verpflichtung - Stromproduktion,
  • 41 % - Wärme- und Kälteversorgung,
  • 14 % - Transport.

2. Überlegungen der Kommission zum Regelungsrahmen
Die EU-Kommission wünscht sich im Zusammenhang mit der neuen Richtlinie über erneuerbare Energien, dass mit ihr sowie mit übrigen Regelungen des Energiepaketes ein stabiler Regelungsrahmen entsteht. Im Einzelnen werden folgende Rahmenbedingungen als Ziel genannt:
  • Unterstützung der Wettbewerbsfähigkeit,
  • Vereinfachung von Verwaltungsprozeduren,
  • schrittweise Öffnung nationaler Grenzen für Fördersysteme,
  • stabile Finanzierung.
Im Hinblick auf die Vereinfachung der Verwaltungsprozeduren verwundert etwas, dass Vertreter der Kommission im gleichen Atemzug die Bedeutung der Beihilferegelungen der EU und fallbezogene Genehmigung der Beihilfen betonen. Dies stellt mit Sicherheit keine Vereinfachung sondern eine massive Hürde für die Flexibilität nationaler Fördermechanismen dar.

3. Überblick über neue Regelungen
Die neue Richtlinie enthält insbesondere folgende Regelungen:
  • das EU-weite Ziel im Hinblick auf Nutzung erneuerbarer Energien für das Jahr 2030 wird in Art. 3 formuliert (27 %),
  • Förderregelungen für Strom aus erneuerbaren Quellen werden in Art. 4 ff. beschrieben (nur allgemeine Regeln),
  • Herkunftsnachweise sind in Art. 19 geregelt,
  • rudimentäre Regelungen über Netzzugang sind in Art. 20 enthalten, wobei hier wohl die Regelungen der Strommarktverordnung gelten sollen (s. u.),
  • Art. 21 und 22 befassen sich mit Eigenverbrauch sowie mit Gemeinschaften, die erneuerbare Energien nutzen,
  • die Förderung erneuerbarer Wärme und Kälte ist in Art. 23 f. geregelt,
  • mit erneuerbaren Energien im Transportsektor befasst sich Art. 25; anschließend ist in Art. 26 ff. die Nachhaltigkeit dun Einsparung von Treibhausgasen bei Biokraftstoffen und flüssiger Biomasse angesprochen.

4. Ausgewählte Regelungen im Einzelnen
Auch, wenn die vorgeschlagene Richtlinie nach wie vor keine Konkretisierung der möglichen Förderinstrumente formuliert, sind doch einige der vorgeschlagenen Regelungen bemerkenswert.

a. Förderinstrumente, Art. 4
In Art. 4 des Entwurfs werden die möglichen bzw. zulässigen oder gewünschten Förderinstrumente in den Mitgliedstaaten weder vorgegeben noch konkret genannt. Es werden allerdings einige einschneidende Einschränkungen formuliert:
  • gem. Abs. 1 müssen die Fördermaßnahmen Störungen des Strommarkts vermeiden; Erzeuger sollen sich demnach am Markt und an möglichen Netzrestriktionen richten,
  • im selbigen Abs. 1 wird auch eine harte Bindung an die Regeln des Beihilferechts ausgesprochen; insgesamt muss die Förderung in einer offenen, transparenten, wettbewerblichen, diskriminierungsfreien und kosteneffizienten Art und Weise zugeteilt werden; damit versucht die Kommission wohl eine Stärkung ihrer Beihilfeleitlinien durchzusetzen;
  • die Integration des Stroms aus erneuerbaren Energien in den Strommarkt ist sicherzustellen.
Im Übrigen ist in der Vorschrift allerdings auch eine Unterstützung hochambitionierter Mitgliedstaaten durch EU-Fonds vorgesehen - z. B. durch Finanzinstrumente zur Reduzierung der Kapitalkosten von Projekten.

b. Grenzüberschreitende Öffnung der Förderregeln, Art. 5
Die Öffnung der nationalen Fördersysteme für Anlagenbetreiber aus anderen Mitgliedstaaten ist ein viel diskutiertes Thema. Die Pflicht, derartige Öffnung vorzunehmen, ist in Art. 5 des Entwurfs vorgesehen.
Die Öffnung soll sich stufenweise entwickeln, wobei ab 2021 10 % der neuen Kapazitäten unter diese Öffnung fallen, ab 2026 - 15 %. Im Übrigen (also ab 2026 im Hinblick auf 85 % der neu geförderten Kapazitäten) gilt wohl nach wie vor die Freiheit der Mitgliedstaaten, die Förderung auf inländische Anlagen zu beschränken (vgl. in diesem Zusammenhang auch das Aland-Urteil des EuGH).

5. Wichtige Vorgaben der Strommarktverordnung für EE
Im Zusammenhang mit erneuerbaren Energien sind nicht nur die Vorschriften der vorgeschlagenen Erneuerbare-Energien-Richtlinien von Bedeutung, sondern auch diejenigen der geplanten Strommarktverordnung [5]. Folgende sind dabei hervorzuheben:
  • Art. 11 - die Regelung über den Netzzugang sieht einen Vorrang von EE- und KWK-Anlagen nur für kleine (< 500 kW, später bzw. bei hohem Anteil noch geringere Leistung ist Grenze) Anlagen vor - im Übrigen soll der Zugang nach Marktregeln erfolgen; inwiefern dadurch die EE-Anlagen bei Netzzugang grundsätzlich in den Wettbewerb mit konventionellen Anlagen treten sollen, ist unklar;
  • Art. 12 - die Zuteilung von Kapazität soll über Gebote erfolgen, wobei eine Drosselung der Anlagen dort, wo die Lösung über Gebote nicht funktioniert, einen Vorrang erneuerbarer Energien (und von KWK) statuiert (Art. 12 Abs. 5;

C. Überarbeitung der Energieeffizienzrichtlinie
Die Kommission schlägt vor, insbesondere folgende Aspekte der RL 2012/27/EU zu überarbeiten:

1. Verschärfte Zielsetzung
Und zwar über den Ratsbeschluss von 2014 hinaus - ein verbindliches EU-Ziel der Energieeinsparung von mindestens 30 % (statt den indikativen, EU-weiten 27%). Gem. dem neu formulierten Art. 1 Abs. 1 der RL sollte ein Regelungsrahmen entstehen, der sicherstellt, dass eine Effizienzsteigerung um 20 % bis 2020 und 30 % bis 2030 erreicht werden.

2. Konkrete Ziele für Mitgliedstaaten
Gem. dem vorgeschlagenen Art. 7 der RL sollen die Mitgliedstaaten verpflichtet sein, ab 2014 Energieeinsparungen von 1,5% des jährlichen Energieabsatzes zu erreichen.

3. Neuregelung der Energieeffizienzsysteme
In den Art. 7a und 7b werden die mitgliedstaatlichen Systeme behandelt. Bei einem "Energieeffizienzverpflichtungssystem" müssen die entsprechenden Adressaten der Verpflichtung benannt werden.
Bei den alternativen Lösungen nach Art. 7b muss primär die Erreichung der Ziele gem. Art. 7 sichergestellt werden, typisch nach dem europarechtlichen Prinzip des effet utile.

4. Sicherstellung der Verbrauchserfassung
Mit dem hinzugefügten Art. 9a werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Verbrauchserfassung auch für Wärme bzw. Kälte in jeder Form für jeden Endkunden sicherzustellen. Gem. Art. 10a werden auch gesteigerte Anforderungen an die Genauigkeit und Aussagekraft der Abrechnungen statuiert. Der Zugang zu Verbrauchsdaten soll kostenfrei sein, Art. 11a.


D. Energieeffizienz von Gebäuden
Auch die Richtlinie 2010/31/EU über die Gebäudeeffizienz soll nach Auffassung der Kommission geändert werden. Nachstehend wird auf die dabei verfolgten Ziele und einige Details eingegangen.

1. Zielsetzung
Gemäß der oben zitierten Mitteilung der Kommission (S. 5) prüfte die Kommission den geltenden EU-Rahmen für Energieeffizienz und sollte Vorschläge für Anreize für Investitionen in die Gebäuderenovierung unterbreiten. Darüber hinaus sollte die Finanzierung von entsprechenden Projekten mit europäischer Unterstützung Teil der Strategie sein (S. 6) [4].

2. Schwerpunkte
Folgende Felder bilden den Schwerpunkt der Änderungen nach Aussage der Kommission [2]:
  • langfristige Renovierungsstrategien werden auf die Gebäudeeffizienz erstreckt,
  • Mobilisierung von Finanzmitteln zu diesem Zweck wird vorangetrieben,
  • ein klares Konzept zur Minderung der CO2-Emissionen von Gebäuden bis 2050 muss erarbeitet werden,
  • IKT und intelligente Technologien sollen zum effizienten Betrieb von Gebäuden eingesetzt werden (also auch Heiztechnik etc. soll "smart" werden).

3. Änderungen im Einzelnen
Im Einzelnen werden folgende Änderungen am Wortlaut der RL 2010/31/EU vorgeschlagen [3]:
  • der Begriff "gebäudetechnische Systeme" in Art. 2 Abs. 3 wird erweitert auf Elektrizitätserzeugung und Infrastruktur für Elektromobilität, die im Zusammenhang mit dem Gebäude bestehen;
  • bisheriger Art. 4 der Energieeffizienzrichtlinie (RL 2012/27/EU) wird in die RL 2010/31/EU in Art. 2a übernommen, weil er sich mit der Gebäuderenovierung befasst; dabei wird die "intelligente Finanzierung" der Renovierung betont und verbindliche Ziele für diese festgelegt (Kontrolle über die o. g. nationalen Pläne);
  • Art. 6 (Regelung über neue Gebäude) soll vereinfacht werden - es wird lediglich die allgemeine Verpflichtung beibehalten, neue Gebäude den Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz zu unterstellen;
  • in Art. 8 wird
    • die Pflicht eingeführt, Parkplätze neuer Gebäude zum Teil mit Ladestationen für Elektrofahrzeuge oder übergangsweise zumindest mit Vorbereitung solcher Ladestationen auszustatten,
    • der Einsatz elektronischer Überwachung, Automatisierung und Steuerung in Gebäuden vorgeschrieben,
    • "Intelligenzindikator" für Gebäude eingeführt.
  • gem. Art. 10 - der aktualisiert wird - sollen Energieeffizienzausweise zur Bewertung der Einsparungen durch Renovierungen dienen (Vergleich der vor und nach der Renovierung ausgestellten Ausweise)
  • in Art. 14 und 15 werden Regeln über Inspektionen verschärft.

E. Weiterführende Literatur
Vgl. in diesem Zusammenhang auch:


[1] Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Beschleunigung des Übergangs Europas zu einer CO2-armen Wirtschaft; die dabei vorgeschlagene, konkrete Verordnung zur Regelung der Emissionsreduktion in den Mitgliedsstaaten der EU ist unter folgender Adresse zu finden.
[2] Vorschlag der Kommission vom 30. 11. 2016, COM(2016) 765 final 2016/0381 (COD), S. 2.
[3] Vorschlag der Kommission vom 30. 11. 2016, COM(2016) 765 final 2016/0381 (COD), S. 11 ff.
[4] Vgl. die unter [1] genannte Mitteilung der Europäischen Kommission auf S. 6: "(...) Die Mobilisierung und rasche Steigerung privater Investitionen ist unabdingbar, um den Übergang zu einer emissionsarmen, klimaresilienten Wirtschaft zu fördern und der langfristigen Bindung an emissionsintensive Infrastrukturen und Anlagen entgegenzuwirken. (...)". Ferner auf S. 7: "(...) Auch die Finanzinstrumente der EU leisten einen wichtigen Beitrag zu den Klimaschutzmaßnahmen der EU, wie der Europäische Fonds für strategische Investitionen deutlich macht. Der Fonds ist auf bestem Wege, bis Mitte 2018 mindestens 315 Mrd. EUR an zusätzlichen Investitionen in die Realwirtschaft zu mobilisieren.10 Bislang sind mehr als 50 % der Investitionen klimarelevant. (...)"
[5] Proposal for a regulation of the European Parliament and of the Council on the internal market for electricity, COM/2016/0861 final - 2016/0379 (COD).
[6] Proposal for a directive of the European Parliament and of the Council on the promotion of the use of energy from renewable sources, COM/2016/0767 final - 2016/0382 (COD).
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